550 Lamellen für die Expo

Am 1. Mai wird in Mailand die Expo eröffnet. Der Lernende Tobias Brunner hat bis dahin noch alle Hände voll zu tun. Sein Lehrbetrieb plant und baut für die Weltausstellung neun Projekte, davon sechs Länderauftritte.
Das Innenleben des deutschen Pavillons an der Expo 2015.
Das Innenleben des deutschen Pavillons an der Expo 2015.

Die Uhr tickt. In weniger als zwei Monaten wird in Italien die Weltausstellung Expo 2015 eröffnet. Auf dem über 110 Hektaren grossen Ausstellungsgelände westlich der Stadt arbeiten zurzeit täglich 3500 Arbeiterinnen und Arbeiter an Ausstellungshallen und Pavillons. Bereits seit dem Frühjahr 2014 sind auch die Mitarbeitenden von Nüssli für die riesigen Bauten im Einsatz. Das Thurgauer Unternehmen ist auf temporäre Bauten wie Event-, Messe- und Ausstellungsbau spezialisiert und hat bereits über 20 Länderpavillons und Ausstellungen für frühere Weltausstellungen realisiert.

Spannende Projekte

«Die Arbeit ist sehr vielseitig», schwärmt Tobias Brunner, der bei Nüssli im letzten Sommer seine Schreinerlehre begonnen hat. «Ich konnte seit Lehrbeginn bereits in verschiedensten Projekten mitarbeiten.» So erledigte der 16-Jährige bereits kleinere Arbeiten für eine Ausstellung über historische Zeitmesser von Patek Philippe und das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos. Sein aktuelles Projekt ist nicht weniger interessant. Der aufgeweckte Junge aus Basadingen-Schlattingen darf beim Bau des Pavillons mithelfen, mit dem sich Deutschland an der Expo präsentiert. Unter dem Motto des diesjährigen MegaEvents «Den Planeten ernähren, Energie für das Leben» zeigt sich unser nördlicher Nachbar mit einem futuristischen Bau als lebendige, fruchtbare Landschaft voller Ideen und Lösungen. Der Pavillon ruft dazu auf, in Zukunft sorgfältiger mit der Natur umzugehen, da sie die wesentliche Quelle unserer Ernährung ist.

550 Lamellen

Als zentrales Gestaltungselement wachsen Pflanzen als Ideenkeimlinge aus der Ausstellung an die Oberfläche und verbinden so Innen- und Aussenraum. «Das Bauwerk hat ein eigenes Design und macht neugierig auf sein Innenleben. Es ist sehr vielseitig, verfügt über verschiedene Eingänge und mehrere Etagen», beschreibt Tobias den Auftritt, der den Namen «Field of ideas» trägt. Besucherinnen und Besucher werden in der Ausstellung aufgefordert, selber aktiv zu werden, deshalb sind überall Stationen zum Mitmachen verteilt. Rund 16 000 Personen können die Ausstellung täglich erleben. Tobias ist gerade mit Gestaltungselementen für den Innenraum beschäftigt. «Wir stellen 550 Lamellen aus Wabenplatten in 14 verschiedenen Farben her. Ich leime bei den Lamellen mit ausgeprägten Rundungen die Kanten von Hand an, da unsere stationäre Kantenanleimmaschine nicht für stark gebogene Teile konstruiert wurde», sagt Tobias. Nachdem er sorgfältig, aber zügig mit dem mobilen Gerät die Kanten aufgeleimt hat, kappt er deren Enden und fräst die Kanten bündig. Zum Schluss verpasst Tobias der Oberfläche mit dem Schleifpapier den Feinschliff.

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Zügig werden die Kanten angeleimt (oben). Anschliessend werden sie bündig gefräst (unten). | Bilder: Michael Suter

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Fertig? Noch nicht ganz. Die Lamellen brauchen noch Farbe. Tobias zieht sich die Atemschutzmaske über und legt los. Die Lackierpistole zischt, während sich die Farbe gleichmässig auf der Wabenplatte verteilt. Nach wenigen Minuten ist die Arbeit getan. Nun muss noch sorgfältig beschriftet werden, damit bei so vielen Elementen kein Durcheinander entsteht. «Die erste Etappe mit rund 170 Lamellen haben wir soeben fertiggestellt. Aber wir sind im Zeitplan», sagt Raphael Gubser, Tobias‘ Lehrlingsverantwortlicher. «Den Zusammenbau vor Ort übernimmt das Montageteam», erzählt Gubser weiter. Aber wer den fertiggestellten Pavillon in Mailand betrachten möchte, hat ausserhalb der Arbeitszeit Gelegenheit dazu. Nüssli hat allen Mitarbeitenden einen Zweitagespass inklusive Übernachtung offeriert. Schliesslich plant und konstruiert Nüssli neben dem deutschen Pavillon auch noch die Länderauftritte der Schweiz, von Kuwait, Mexiko, den USA und von Spanien sowie drei weitere Projekte, darunter eine traditionelle chinesische Kantine und den inszenierten Aussenbereich von Coop Italia.

Verantwortungsvoller Umgang

Insgesamt nehmen 145 Nationen an dem Grossanlass teil. Das braucht jede Menge Material und Energie, was eigentlich nicht zum Nachhaltigkeitsthema der Expo passt. Dass aber der wertschätzende Umgang mit der Natur auch beim An- und Abbau der Länderauftritte eine Rolle spielt, zeigt sich am Beispiel des deutschen Pavillons. Die verwendete Farbe basiert auf Wasser und ist lösungsmittelfrei. Zudem werden viele Bauelemente nach der Expo gespendet und von Museen und Bildungsinstituten wiederverwendet. Der in Mailand verwendete Stahl wird eingeschmolzen und kommt anderweitig wieder zum Einsatz. Auch die Schweizer sind vorbildlich. Die Bauteile des Schweizer Pavillons «Confooderatio Helvetica» werden grösstenteils demontiert und rezykliert. Die während der Expo mit Lebensmitteln gefüllten Türme werden in der Schweiz für landwirtschaftliche Erzeugnisse wiederverwendet.

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Bei 550 Lamellen braucht es Ordnung und eine saubere Beschriftung.

Erschienen in der Schreinerzeitung
Autor: Michael Suter